Melancholische Blutrünstigkeit

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Mein Gehirn ist eine Keule und schwingt hin und her, wenn was in die Nähe kommt, dann...

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Ich will nicht wahrhaben, dass ich übermüdet bin. Ich stehe irgendwo zwischen Tag und Nacht auf meinem Balkon. Ich weiß nicht, was ich mit der Gewissheit anfangen soll, dass die Welt außerhalb meiner Wohnung ganz real ist. Ich weiß nur, dass die Welt da draußen nicht weiß, dass ich existiere. Ich gähne und die Vögel stürzen aus den Büschen und Bäumen in den grauen Himmel.

Der Wille, nicht zu schlafen, obwohl man müde ist, obwohl die Wechselwirkung zwischen der Realität und dem eigenen Gehirn immer mehr Substanz abverlangt, bedarf eines Heldenmutes, den ich selten aufbringen kann, aber wenn, dann bedrückt er mich so stark, dass ich mich jedem Gott und jedem Ideal überlegen fühle.

Die Vorstellung, dass mein Bewusstsein sich wie ein sterbender Stern zusammenzieht und sich zu einem Loch verdichtet, das mein ganzes Gehirn wegsaugt, gibt mir das nötige Selbstbewusstsein, wenn ich mit meinen Eltern über meine vermeintliche Zukunft rede.

Die tiefste Tiefe, die ein Mensch in sich erreichen kann, ist die euphorische Gleichgültigkeit gegen das eigene Leben beim Hören von Ligetis Atmosphères - hör es dir an und dein blödes Herz, das dir nicht und niemals gehört, fragt sich noch selbstsicherer, wie lang es dich noch dulden soll.

Warum schreiben? Warum überhaupt etwas tun? Mein Begriff von Leben ist unvereinbar mit jeder Art von Tätigkeit. Dieser Satz kann nur das Manifest eines Unstillbaren sein. Arsch. Schwanz. Sperma. Küssen. Schlafen. Existenz ist eine Notlösung. Wahrnehmung zerfleischt.

2

Meine Angst vor Selbstgewissheit schraubt mir einen angenehmen Druck zwischen die Schläfen.
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Die Zeit und ich würgen uns.

Wahrnehmung - ein Amboss im freien Fall.
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Ehrfurcht nur vor Dingen, die man wirklich versteht!
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Die Angst, mich plötzlich selbst zu töten.

Alles was man sagt, ist immer zu viel, weil es immer zu wenig ist.
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Meine Unentschlossenheit verwüstet mich wie Methamphetamin dich.
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Dieses Bedürfnis, in alles, was man getan hat, ein Loch zu bohren...
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Ich hänge an meinem Leben wie ein Faschist an seinem Maschinengewehr.
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Jeder wartet darauf, dass etwas passiert. Das schlimmste im Leben ist, dass die Hoffnung zuletzt stirbt.
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Eines Tages werde ich als Joseph Goebbels des Skeptizismus eine Zyankali-Kapsel in den Mund nehmen und nicht zerbeißen.
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Die Sehnsucht, das Haus zu zerstören, in dem man geboren wurde...

3

Die guten Momente lungern um die schlechten Momente herum wie erschöpfte Tiere an einem Wasserloch in sengender Hitze. Die Nichtigkeit der guten und schlechten Momente ist ein Walfisch, der in der Milchstraße hängt. Ein würziger Sumpf unter dem Bett, Delirien hängen in der ganzen Wohnung, der Gedanke einen Menschen zu töten entfaltet sich wie eine Rose in der Morgendämmerung. Völlige Bewegungsunfähigkeit. Keine friedliche Beziehung zu den alltäglichen Dingen. Mit Worten versuchen, die Leere zu bannen, die mein Ichgefühl entthronen will. Der Rausch der Worte ist die Maske, die sich das Flüstern der Wahrheit aufsetzt, um missverstanden zu werden.

Das Gesicht jedes Lesers ist härter als die Zeilen die er liest.

Ich hasse meine Stimme, wenn sie Entscheidungen ausspricht.
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Ich hasse mein Gesicht, weil es niemals so skeptisch und gleichgültig und leer aussieht wie ich bin.

Meine Stimme, mein Körper, mein Temperament - alles ein Käfig, der mich davon abhält so zu sein, wie ich mich fühle.
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Mit jedem Atemzug bewege ich mich in die falsche Richtung.

Mein ganzer Körper durchflutet von der kalten, unerschütterlichen Gewissheit seiner Ziellosigkeit, eine nutzlose Spielwiese von Zufällen, ausgeliefert zwischen zwei Unendlichkeiten puren Nichts und ich sag dir, dass ich nie dein Gesicht gemocht habe, wenn du gesagt hast „Ich weiß was du meinst.“

An hellen Momenten ist dir alles gut und schön, was denen widerspricht und schadet, die dich verstehen und ihre Konsequenzen daraus ziehen.

Deine Vernunft und dein Gewissen sind nicht mehr als zwei ausgekatschte Kaugummis, die in der Glut deines Gehirns lange, klebrige Fäden ziehen. Nur wenn du nicht mehr lachen kannst, kommst du mir nicht verhext vor.
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Du wirst alles überleben, was dir in den nächsten Monaten widerfährt. Die Enttäuschung darüber wirst du nicht aushalten und daran endgültig zerbrechen - und trotzdem nicht sterben.

4

Die Idee, etwas zu Ende zu denken, ist unvereinbar mit der Tatsache, dass unser Gehirn sich in einem Knochenschädel befindet.

Wir kommen aus der Intimzone einer Frau, kacken uns so richtig schön aus und sterben wieder.

Ich laufe mit meinem Nihilismus durch die Stadt wie mit schweren Springerstiefeln. Egal was die Leute dazu sagen könnten: ich würde sie dafür hassen - für die Arroganz zu glauben, mir etwas zu sagen zu haben. Mir geht es allein um mein Körpergefühl.

Das Wachsen das Kindes im Mutterleib ist die Verdauung der Samenzelle, welche mit dem Ausscheiden des Kindes in die Welt abgeschlossen ist. - Das ist kein Satz mehr, es ist ein Gefühl, ein Draht, der den Boden der Tatsachen zusammenhält.

Die Hoffnungslosigkeit, die meine Eltern mir vererbt haben, hat rote, gierige Augen und fletscht die Zähne.
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Jeder subversive Trieb ist das Lachen eines Schmerzes.
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Wer Mord aus Langeweile schrecklich findet, der weiß nicht, wie schön Langeweile sein kann.

Nichts ist erniedrigender als gezwungen zu sein, sich selbst zu vertrauen.
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Das Beste an Leuten ist das, was sie niemals zuzugeben bereit sind.

Du bist das, was dir fremd ist.
Was dir vertraut ist, hat nichts mehr mit dir zu tun.
Du bist das, wovor dir ekelt.
Das, was du gern hast, gehört nicht (mehr) zu dir.

Meine Faszination für mein Blut, das aus einer Wunde an der Hand getropft kommt, erscheint mir augenblicklich als der absolute Beweis gegen Gott - ich werde irgendwann sterben und die Abwesenheit Gottes klopft mir herzlich lachend auf die Schulter, wie ein Vater, der sich freut, dass sein Kind ihm nach langer Zeit zufällig über den Weg läuft.

Man bekommt erst wirklich einen Bezug zu sich selbst, wenn man sich zwei Wochen nicht gewaschen hat, wenn man stinkt und sich juckt und immer dreckiger und gleichgültiger und stinkiger wird. Wer sich selbst leiden kann, hat keinen echten Bezug zu sich.

Irgendwann weiß ich nicht mehr wer ich bin und dann krieche ich aus dem Schmand meiner Wohnung wie ein neuer Mensch. Und die Sonne wird immer noch leuchten, mein Herz wird losgelöst von all meiner Vergangenheit emporfliegen wie ein junger Spatz. Mein Leben wird dann erst richtig beginnen.

Ich kenne keine Liebe. Ich kenne nur diese lächerliche Besessenheit, die sich bisher immer als unbewusster Selbstverletzungstrieb herausgestellt hat. Vielleicht kannst du mir ja zeigen, wie...

Weder kann ich mich an ein Sein klammern noch von einem Werden tragen lassen. Ich warte auf einen furchtbaren Blitz oder wenigstens eine schmerzhafte Genickstarre in einer Stadt ohne Blumen, aber wie soll ich mir die Wartezeit gestalten? Ich muss doch irgendwas tun, oder? Nein, muss ich nicht! Ich lass meine alberne Existenz einfach weiter in den leeren Raum regnen...

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Erst war ich weich; eine schöne weiche Schale und ein schöner weicher Kern; dann wurde ich in die Schule der Einsamkeit geschickt, und die macht hart: erst die Schale, dann den Kern.

Ich will nicht mehr rangehen, wenn meine Freunde mit ihren süßen Gesichtern an meinem versteinerten Gesicht klingeln. Jeden Tag das gleiche. Ich hasse was ich brauche. Jeden Tag das gleiche. Ich hasse was ich brauche. Jeden Tag das gleiche. Ich hasse was ich brauche. Jeden Tag das gleiche. Ich hasse was ich brauche. Es ist möglich, dass dir etwas so sehr weh tut, dass du's gar nicht mehr spüren kannst.

Das Leben ist das Organisieren kleiner Übel zu einem großen Übel, das den Tod freundlich erscheinen lässt. Das Leben ist eine einzige rhetorische Frage und all unser Elend lässt sich darauf zurückführen, dass wir diese Frage beantworten und das Absurde hält sich den Bauch und krächzt: „Ich schwanke, also bin ich.“

Wir beschmutzen etwas, wenn wir ihm einen Wert geben.
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Faulheit ist die Krone des unabhängigen Menschen.
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Erst, wenn man frei von sich ist, ist man bei sich.

Menschen die mit genug Sensibilität bestraft wurden, können nur im Elfenbein-Turm oder in einer Terror-Organisation glücklich werden.

Das Lachen über unser eigenes Unglück kann nicht idiotisch genug sein.

Da ich mich noch nicht überwunden habe, jemanden zu töten, bin ich dazu verdammt, mich mit Selbstrechtfertigungen zu quälen, für die ich einen Friedensnobelpreis verdient hätte - dessen Preisgeld ich benutzen würde, um heimlich das Grundwasser von Berlin zu vergiften. Falls ich es dann wieder nicht tun würde, so doch gewiss mit dem Preisgeld für meinen zweiten Friedensnobelpreis, den mir die Unterlassung einbringen würde. Leider ist das alles nur Gespinne: denn niemand wird jemals in der Lage sein, die Intensität zu erahnen, mit der ich mein Leben lebe. Und für diese Einsicht habe ich nichtmal einen Blumentopf verdient.

Ich fühle mich unberührt. Alles muss lauter werden. Ich brauche Krach und Rhythmus, um mich nicht zu sehr in meiner Abwesenheit zu verheddern. Ich brauche Erde, Dreck und süße Früchte. Richtige Schmerzen. Richtigen Schlaf.

Felix ruft: "Niemand will dich jammern sehen. Niemand will dich lieben sehen. Man erwartet, dass du etwas zerstörst, dass du seltsame Gefühle weckst, dass du stolperst und dich dann still und heimlich wieder aus dem Leben machst." Felix hasste das Leben, er hasste alles, was existiert, er wähnte sich wahrhaftig und klarsichtig und war stolz: aber er war nicht mehr als ein harmloses Geschwür am Leben, ein kleiner, gutartiger Tumor am Dasein. Gestern hat man ihn endlich rausgeschnitten. „Für was man nicht töten würde, das will man auch nicht von ganzem Herzen.“, sagte er mir mehr als einmal und hier ist Weisheit. Wir müssen uns doch an irgendetwas halten, wir müssen uns nicht schämen für unsere Empfindungen und extremen Widersprüche, wir müssen uns für gar nichts schämen, wir beten den Apokalyptischen Esel an und tanzen zu naivem Klezmer und wir können uns nicht vorstellen, dass wir sterben müssen, irgendetwas in uns sehnt sich nach Loch und Ende und wir trotzen manchmal fröhlich, manchmal gelangweilt, wir trotzen sterbend dem Sterben.

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Ich bin ein Sünder. Die Gemeinschaft wehrt sich gegen mich und will mich austreiben. Sie will jedem glauben machen, dass es gegen sie kein Ankommen gibt. Aber was soll meine ganze Sündernatur anders tun als versuchen, so lang sich zu bejahen und durchzusetzen wie es geht? Einen Kompromiss kann es mit mir nicht geben, meine Natur kann sich nicht mehr ändern, sie ist endgültig eingeschossen auf ihre Bahn, zu kurz ist mein Leben, als dass sich die Bahn wieder ändern könne. Ich bin ein glühendes, vitales, fruchtbares Scheusal.

Ich habe tausende Leben gezeugt, ich werde weiter zeugen, zeugen und vernichten, ficken und morden, stinken und rauschen und pissen und schwelgen in meinen Liebes- und Vernichtungstagträumen.

Körperliche und psychische Abhängigkeit von Substanzen schafft das stärkste Gefühl von Identität und Sinn. - Mancher hat seine Verzweiflung überwunden, in dem er sich in einen Junkie verwandelt hat.

Man findet nur das geil, von dem man glaubt es nicht verdient zu haben. - Ohne Moral im Kopf platzt der Unterleib - und ein Gott entsteigt und übernimmt den Körper: kosmische Geilheit, ein neuer Planet, der vielleicht besiedelt werden kann, bevor die Menschheit auf der Erde ausstirbt.

Viel zu abartig, um gut zu sein und noch zu abartig um böse zu sein. Im Traum renne ich als Kind den Wolken am Himmel hinterher. Wenn ich aufwache, finde ich mich in einem Zustand der mich depremieren soll, man erwartet, dass ich depressiv werde, man verlangt, dass ich depressiv werde . . und ich gehorche schließlich, das Kind gehorcht und stolpert, es stolpert und stolpert immer wieder über das selbe Loch. Die Wohnung langweilt sich, ihre Sauberkeit ist eine Farce, jedes Wort ist ein grinsendes Arschloch, flatuliert um Anerkennung. Deine Abwesenheit hat meiner Seelenplatte einen Sprung aufgeklingelt. Meine Ohren wollen bluten, aber können nicht bluten. Mein Leben ist eine Wunde im Leib meiner Mutter. „Aua“ sagt sie zu mir, indem sie mir einen Kuss gibt. Das ist wichtig für ein Kind.

Die Hässlichkeit meiner Sehnsucht zu vertrauen, das Wummern der Trägheit, die Geilheit der Idiotie, das heiße Opium all meiner Unfähigkeiten und alles was ich mit meinem Vornamen verbinde frisst meinen Leib. Ich bin eine Ruine, fünftausend mögliche und unmögliche Schatten fratzen mir ein Gefühl von Seele auf. Ich will explodieren, damit das Nichts zur Begrüßung seiner Selbst anheben kann und die Erde und die Luft reinigt von der Abartigkeit meiner Existenz.

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Wir können niemals weder in unserer Traumwelt noch in unserer Alltagswirklichkeit voll aufgehen und schummeln uns mit dem Gedanken an unseren Tod durch diese Halbwelten. - Im heftigsten Schmerz oder der höchsten Liebe oder der tiefsten Gleichgültigkeit finden wir noch etwas Kraft, das Bewusstsein unserer unausgegorenen Lächerlichkeit zurückzudrängen - diese aber gärt dabei noch fröhlicher weiter als sowieso schon.

Erlösender Gedanke: niemand muss leben. Das Leben selbst muss sich nicht erhalten. Alles ist ein Spiel, getrieben von sterblichen Lüsten, die nicht sterben wollen.

Die Eitelkeit, etwas aus seinem Leben zu machen, wuchert aus nicht verdautem Scheitern wie ein Tumor in einem schwerfälligen Tier, dem egal ist ob es stirbt oder nicht.

Zu viel oder zu wenig Lebenslust weckt in dir eine tiefe Faszination für Krankheit, Verfall, ungewisses Sich-treiben-lassen durch die untersten Schichten der Gesellschaft - eine Faszination, die nur ganz am Anfang und ganz am Ende dumm erscheint.

Nichts ist rein und gut - und dir ist alles egal und du wartest bis etwas mit dir passiert, das noch nie mit dir passiert ist, vielleicht sogar auf etwas, das noch nie mit irgendwem passiert ist. Wenn du diesen Stolz nicht hättest, wärst du schon längst fort...

Dein Gesicht ist eine Lüge, zwei Lügen, fünf Lügen, sechs Lügen, dein Gehirn ist tausend Lügen und eine Hand voll Löcher. - Alle Menschen sind wahnsinnig und wollen es nicht wahr haben, sie sind betäubt, sie sind nicht bei sich, sie sind Automaten ihrer Sprache, die ein Automat einer autoritären Moral ist, die der Automat eines toten Gottes ist. Alles wartet darauf, dass du austickst.

Die Menschen geben sich selbst ihre Abgründe nicht zu, weil sie Angst haben, sich daran zu faszinieren und völlig wahnsinnig zu werden. "Oh, wenn ihr alles zerstören könntet, würdet ihr es tun!", rufe ich Euch meine Aufgekratztheit entgegen.

Unendliche Langeweile wohnt mit unendlicher Euphorie in der Hölle deiner Unerreichbarkeit. Niemand nimmt dich wahr. - Du willst schlafen, aber kannst nicht. Wollen und Können wohnen in einer Straße aus Stein, mit all den anderen Flitzpiepen deines Bewusstseins und Unbewusstseins. - Es ist absolut egal, ob du deine Eltern umarmst oder tötest.

Meine Einsamkeit dehnt sich aus. Nachdem sie meinen Körper und meinen Geist verschlungen hat, macht sie sich wie eine fette, schwarze Schlange auf den Weg zu neuen Eroberungen. Die tropischen Temperaturen sind ideale Bedingungen für sie. Sie hockt neben mir und wartet auf Besuch. Ich hänge den ganzen Tag in meiner Wohnung und esse und lenke mein Gehirn mit Filmen und Serien von sich selbst ab.

Der Dreck in dir vermehrt sich jede Stunde und irgendwann überwältigt er dich. Was gibt es noch zu festzustellen? Dass es sich nicht gehört, eine Person nach ihrem Namen zu fragen, bevor man sie sinnlos tötet.

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Ich laufe mit Pierre eine Straße runter. Es ist nachts. Ich bekomme ein ganz heftiges Angstgefühl, mir wird schwindlig. Irgendetwas Kaltes hat in mein Herz gebissen. Alles verschwimmt. Jetzt bin ich endgültig wahnsinnig. Pierre steckt mir seinen Zeigefinger in den Rachen und ich kotze einen unverdauten Reiseintopf aus und M. macht die üblichen, süßen, leichtherzigen Witzchen. Es geht mir besser und ich habe das Gefühl, dass ich heute noch in die Schule muss.

Ich fühle mich immer am besten, wenn der Himmel grau und die Luft kühl ist, wohl weil ich daraus das stärkste Gefühl von Heimat und Ich schöpfen kann. Ich hoffe es regnet gleich. Ich bin jenseits von manisch und depressiv und kann mich drehen und wenden wie ich will, mir kommt kein Grund stolz auf mein makelloses Immunsystem zu sein. Ich werde niemals krank - es ist wirklich unglaublich! Mein Verstand sagt mir, dass es sich nicht lohnt, gesund und munter an dieser Welt teilzuhaben, aber mein Körper spottet mir all seine unerträgliche Gesundheit entgegen. Ich fühle mich so dumm.

Die beunruhigenden Streicheleinheiten meiner Unfähigkeit, irgendetwas auszusagen, das auch in einer Minute noch von Belang wäre, befreien mich von jedem Stolz- und Schamgefühl. - Ich kann mich unglaublich verbiegen. Ein menschlicher Körper ist nicht dafür ausgerüstet, sich derart zu verbiegen. Die Tatsache, dass er es doch aushält, zerbricht meinen Geist.

Meine Gedanken, mein schriftstellerisches Ich stehen meiner puren Wahrnehmung der Welt, meines Lebens und damit auch meinem Wahnsinn im Weg. - Hiermit erkläre ich, der indirekteste Mensch im ganzen Land zu sein.

Ich bin bald mit meinem Buch fertig. Ich bin auf der Zielgeraden. Die Zielgerade schnürt sich um meinen Hals. Die Menschen kommen mir alle ganz weit weg vor, sie sind alle sehr viel kleiner als ich, ihre Köpfe sind so winzig, ihre Augen so feindselig. Sie stecken irgendwo drin wo ich nicht drin stecke. Ich kann mit dem schönen Gefühl, dass ich nicht zu ihnen gehöre, nichts anfangen.

Mein Gehirn pendelt zwischen dem, was ihr nicht wollt und dem, was ihr nicht könnt.

Ich habe Lust, alle paar Sekunden eine neue Handlung zu beginnen, die in eine völlig andere Richtung geht als die, die ich gerade vollbringe. Ich kann nicht länger bei irgendeiner Sache bleiben, ohne mich völlig deplatziert, falsch, dumm und leer zu fühlen. Ich verliere nach wenigen Sekunden das Recht, zu tun was ich gerad tue. In meinem Gehirn pendelt ein Hammer hin und her, sobald der ganze Körper mitschwingt, ändert er seine Pendel-Frequenz.

Mein Leben ist ein fetter Stinkefinger, den mir ein krebskrankes Kind in den Rachen steckt, damit ich daran ersticke. Ich mache alles falsch, was man falsch mach kann. Ich bin ein Astronaut, dessen Raumschiff, während es sinnlos um die Erde kreist, langsam aus dem Leim geht. Wäre ich doch da unten geblieben! Mein Bordradio empfängt ein Lied, dessem Nichte ich schon als kleines Kind geliebt habe:

9

"Sommerzeit, das Leben ist ermüdend
und die Fische sterben
und der Smog macht high.

Mein Vater ist stark, weil meine Mutter schwach ist.
Da liegt eine Rose im Garten
und ein schöner, toter Vogel.

Einer dieser leeren Vormittage,
meine Augen werden immer schwerer
und wollen sich zurückziehen in den Bunker meines Gehirns.

Ich liebe mein schwarzes Loch in meinem schwarzen Kopf
und das schwarze Fieber
in meinem schwarzen Herzen."

10

Alles soll sich drehen. Nur so kann ich den Glaube an mich nicht verlieren. Ich lehne mich an mir oder an mich und gehe zur Neige und wieder zurück. Ich schreibe alles auf, um mich zu entfernen. Ich hinterlasse nicht mehr oder weniger als alle anderen Menschen auch.